21. Suchttherapietage: Diagnose – Hilfe oder Etikett?
Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung ZIS
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Martinistraße 52
D-20246 Hamburg
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Die Vielfalt diagnostischer Ansätze im Suchtbereich wächst durch immer neue Verfahren ständig an. Dazu gehören Screenings im Bereich von Epidemiologie, Frühintervention und Versorgungsplanung ebenso wie Klassifikationssysteme zu Verwaltungszwecken oder Instrumentarien zur differentiellen Therapiezuweisung, zur Steuerung des therapeutischen Prozesses und zur Erfolgsbeurteilung in Katamnesen. Sie verändern sich mit neuen krankheitstheoretischen Modellvorstellungen und therapeutischen Methoden, sind von Interessen auf Anbieter- und Politikerseite sowie von Ressourcen und technischen Entwicklungen bestimmt. Der Anspruch einer umfassenden Diagnostik in bio-psycho-sozialen Modellen scheint mittlerweile durch unbegrenzte Speicherkapazitäten einlösbar, kann aber auch in unüberschaubare Datensammlungen ohne Nutzen für die Kranken münden. Die Forderung nach Evidenzbasierung verlangt nach Standardisierung und Zusammenfassung, das hoch individuelle Krankheitsgeschehen dagegen nach Flexibilität und Variabilität in der therapeutischen Begegnung. Bei den häufigen chronischen Verläufen wird immer wieder neu dokumentiert, ermüdend für Patienten und Behandler. Eine Zusammenführung von Daten bringt wiederum ihre eigenen Vor- und Nachteile mit sich. Die Verfeinerung und Ausweitung standardisierter Diagnosen schließlich, wie zuletzt anlässlich der Einführung des DSM 5 kritisch diskutiert, birgt ein Risiko für stigmatisierende Etikettierung und vorschnelle Pathologisierung unangepasster, jedoch nicht krankhafter Verhaltensweisen.
Die 21. Hamburger Suchttherapietage werden einen Rahmen bieten, den aktuellen Stand diagnostischer Verfahren und ihres jeweiligen Einsatzes kritisch zu überprüfen und aufzuzeigen, welche Perspektiven für neue Entwicklungen bestehen bzw. erst eröffnet oder verhindert werden müssen.
Wie immer werden auch zahlreiche weitere Themen das Spektrum der Hamburger Suchttherapietage ausmachen. Sie sind ein jährlich wiederkehrendes Forum für die Fort- und Weiterbildung mit unterschiedlichen Veranstaltungsformen wie Vorlesungen, Seminaren, Kursen und Übungen. Dabei steht der Weiterbildungsaspekt, die Berufsgruppen übergreifende Qualifikation im Arbeitsfeld und die Entwicklung der eigenen Praxis im Vordergrund. Der Blick soll auch über die unmittelbare praktische Arbeit hinausgehen: Gesellschaftliche und kulturelle Rahmenbedingungen, theoretische Aspekte, integrierte Behandlungsansätze oder neue suchtpräventive Strategien stehen hierfür als Beispiel. Die Veranstaltungen werden von Angehörigen aller in der Suchtarbeit tätigen Berufsgruppen, wie Sozialarbeitern, Pädagogen, Ärzten, Psychologen und Pflegekräften durchgeführt. Dabei sind verschiedene wissenschaftliche Disziplinen die sich mit dem Thema Sucht befassen, wie Psychologie, somatische und psychiatrische Medizin, Pädagogik, Soziologie, Kriminologie und Gesundheitswissenschaften beteiligt.
Zu den 21. Suchttherapietagen möchten wir Sie herzlich nach Hamburg einladen – als Expertinnen und Experten oder interessierte und kritische Teilnehmerinnen und Teilnehmer.