ZB MED trauert um Dr. Franz Josef Kühnen
Nachruf von Ulrich Korwitz
Aufgewachsen unter den schwierigen Bedingungen der Kriegs- und Nachkriegszeit studierte Franz Josef Kühnen von 1954 bis 1961 Klassische Philologie an der Universität zu Köln und schloss 1962 mit einer Promotion zu „Seneca und die römische Geschichte“ ab.
Nach dem Studium war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften tätig. Er absolvierte die Ausbildung für den Höheren Bibliotheksdienst von 1964 bis 1966 in der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln und dem Bibliothekar-Lehrinstitut ebenfalls in Köln. Nach der Ausbildung kam er als Bibliotheksrat an die Universitäts- und Stadtbibliothek Köln und übernahm bereits ein Jahr später die Leitung der Benutzungsabteilung und der Photostelle. Er war Beauftragter für die Planung des Umzugs der UB in das neue Gebäude an der Kerpener Straße.
1969 betraute die Universitäts- und Stadtbibliothek ihn mit der Leitung der Medizinischen Abteilung. Mit Gründung der „Zentralbibliothek der Medizin (ZB MED)“ als Zentraler Medizinischer Fachbibliothek für die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1973 wurde er vom Wissenschaftsministerium des Landes NRW als Gründungsdirektor berufen. Er hatte dieses Amt bis zum Eintritt in den Ruhestand 1996 inne.
Dr. Kühnen hat ZB MED aus kleinen Anfängen hin zu einer national und international bedeutenden Bibliothek mit nationalbibliothekarischen Aufgaben entwickelt. Von der Gründung an gehörte ZB MED zu den konzeptionell und technologisch führenden Bibliotheken in der Bundesrepublik. 1977 führte Franz Josef Kühnen weitblickend eine neue Sacherschließungsgrundlage ein, die auf den „Medical Subject Headings“ der National Library of Medicine als weltweit größter medizinischer Bibliothek beruhte. Im gleichen Jahr wurde das erste Terminal für medizinische Literaturrecherchen installiert, so dass Nutzer:innen die mühsame Recherche in gedruckten Bibliographien erspart wurde. 1978 stellte er die komplette Katalogisierungsarbeit auf EDV im Katalogisierungsverbund NRW um – eine mutige Entscheidung in diesen Anfangsjahren der Elektronischen Datenverarbeitung. Technologische Neuerungen wie Literaturrecherchen auf CD-ROM und die Teilnahme am Literaturbestellsystem des Deutschen Bibliotheksinstituts Berlin sowie die sehr erfolgreiche Einführung eines Telefax-Versandsystems für Literaturkopien folgten. Kühnen gestaltete zudem die Anfangsgründe der elektronischen Literaturversorgung großer medizinischer Verlage (ADONIS-System per CD-ROM) mit. In den letzten Berufsjahren war er entscheidend mit der Planung des Neubaus von ZB MED Köln beschäftigt. Im neuen Gebäude wurden bisher getrennt agierende Arbeitsbereiche mit ihren Mitarbeiter:innen zusammengeführt und die Arbeitsbedingungen entscheidend verbessert. Beim Eintritt in den Ruhestand war ZB MED die Bibliothek mit der höchsten Zahl an Literaturlieferungen in Mitteleuropa und dem weltweit zweitgrößten Bestand an Zeitschriften und Monographien ihrer Fächer.
Dr. Franz Josef Kühnen war ein Mann von außerordentlich hoher persönlicher Integrität; er war absolut zuverlässig und korrekt, aber immer mit wohlwollendem Blick für das Gegenüber und orientiert an den Wünschen der Kundinnen und Kunden der Bibliothek. Der Dienstleistungsgedanke war ihm ein besonderes Anliegen während seines gesamten Berufslebens.
Überregional war Kühnen Initiator für die Gründung der Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB) im Jahr 1970 und mit Unterbrechungen zwanzig Jahre als Vorstandsmitglied tätig. Er hat in dieser Funktion starke Impulse für die Entwicklung des medizinischen Bibliothekswesens in Deutschland, Österreich und der Schweiz gegeben. Die AGMB hat ihn aufgrund seiner Verdienste zum Ehrenmitglied ernannt. Dr. Kühnen war langjähriges Mitglied im Bibliotheksausschuss und in Unterausschüssen der DFG sowie im Beirat der Technischen Informationsbibliothek Hannover.
Wir werden Dr. Franz Josef Kühnen als Spiritus Rector des medizinischen Bibliothekswesens im Allgemeinen und von ZB MED im Besonderen stets ein ehrendes Andenken bewahren.